11—Tod
tolles Bild

......... 1.144 Kilometer fern der Heimat beerdigt:
Grab des Ingolstädter Pfarrersohnes Theo Ringler im heutigen Nordostpolen
„Man könnte den Krieg eine Industrie gewerbsmäßigen Menschenschlachtens nennen“
(Feldpostbrief, 1915)
Die Jahre zwischen 1914 und 1918 gehen als globales Gemetzel in die Geschichte ein. Von Europa über Afrika bis Fernostasien kommen mindestens 15 Millionen Menschen durch Gewehrfeuer, Granaten, Gas, im Stacheldraht, durch Hunger oder Seuchen ums Leben. Die rasante technische Entwicklung macht den Krieg zum ersten „industriell“ geführten Krieg überhaupt. Die Situation ist apokalyptisch: Nur die Hälfte der Gefallenen kann begraben werden. Die übrigen bleiben liegen, werden von Kriegsfuhrwerken zermalmt, skelettieren unter freiem Himmel.

Die Militärbehörden sehen sich gezwungen, ausgeblutete Einheiten „wiederaufzufüllen“ – durch schlecht ausgebildete Ersatzreservisten und Kriegsfreiwillige, darunter Schüler, Studenten und bejahrte Männer. Die „Verluste“ übersteigen die schlimmsten Befürchtungen. Schon vier Monate nach Kriegsbeginn sind knapp 150.000 deutsche Soldaten gefallen. Zum Vergleich: Ingolstadt zählt heute knapp 130.000 Einwohner. Als Kontingent des deutschen Heeres entrichten die Truppen des Königreichs Bayern prozentual den höchsten Blutzoll. Es gibt kaum eine Familie, die keinen Toten zu beklagen hätte.
„Mit dem Verstorbenen ist auch ein hervorragender Alpinist aus dem Leben geschieden“
(Ingolstädter Tagblatt, 1914)
Altes Rathaus, Rathausplatz 2

Zu den ersten Kriegstoten aus Ingolstadt gehört Alfred Kroher, der einzige Sohn des Stadtoberhaupts. Er fällt am 16. August 1914 als Leutnant eines Infanterie-Regiments und wird nur 20 Jahre alt. Sein Vater Jakob Kroher ist seit 1899 „Bürgermeister auf Lebenszeit“ und wird 1918 zum ersten Oberbürgermeister von Ingolstadt ernannt. König Ludwig III. von Bayern kondoliert der Familie, die in der ersten Etage des Rathauses wohnt, mit einem „huldvollen Schreiben“. Marie Kroher, die Mutter, kann den frühen Tod des Sohnes nicht verwinden. Sie wird 1919 bei Bad Wiessee ins Wasser gehen.

Am 4. September 1914 klopft der Tod an die Tür „unseres hochgeschätzten Herrn Kirchenrats Ringler" in der Schrannenstraße. Sohn Otto, 25 Jahre alt, ist in einem Lazarett in Lothringen „seiner schweren Verwundung“ erlegen, „die er in der mörderischen Schlacht durch einen Granatschuß erhalten hat“. Es ist nicht der einzige „Verlust“, den der Stadtpfarrer der evangelischen Kirchengemeinde St. Matthäus und seine Frau hinnehmen müssen. Sohn Georg, 17, fällt Ende des Monats ebenfalls in Lothringen. Und Theo, 22, stirbt, nachdem er zwei Schussverletzungen auskuriert hat, im März 1915 in Russland.
„Der Blaue Reiter ist gefallen. Über die Landschaft warf er einen blauen Schatten“
(Else Lasker-Schüler, 1916)
Verlustlisten, OG: Raum 12

Die „Verlustlisten“ des Ersten Weltkriegs mit ihren rund neun Millionen Namensnennungen, darunter auch Krankenschwestern, sind Dokumente des Grauens. Sie berichten von Vermissten, von Gefangenschaft, Verwundung und Tod. Das Ingolstädter Tagblatt meldet am 17. August 1914, die ersten Bayerischen Verlustlisten würden „in 2-3 Tagen erwartet“. Doch Alfred Kroher, gefallen am 16. August 1914, taucht erst in der Bayerischen Verlustliste Nr. 148 vom 4. Februar 1915 auf. Von den drei tödlich verwundeten Söhnen des Kirchenrats Ringler wird in den Verlustlisten überhaupt nur einer erwähnt.

In Ingolstadt hängen die Verlustlisten am heutigen Rathausplatz aus. In der Nummer 257 wird ein 36-jähriger Leutnant der Feldartillerie aufgeführt: „Franz Marc – München – gefallen“. Der Mitbegründer des „Blauen Reiters“ gilt als Wegbereiter der abstrakten Malerei. Er ist kurz zuvor in die „Liste der bedeutendsten Künstler Deutschlands“ aufgenommen und vom Kriegsdienst freigestellt worden. Ausgerechnet am letzten Einsatztag wird er bei einem Erkundungsritt in der Nähe von Verdun von zwei Granatsplittern zerfetzt. Sein „militärischer Nachlass“ ist im Bayerischen Armeemuseum ausgestellt.