01—Krieg
tolles Bild

......... „Der Ausmarsch“ von Melchior Grossek.
Der Priester und Künstler hat im Krieg zwei Brüder verloren (Archiv A. Klein)
„Und es ist Krieg. Alles Fürchterliche ist entfesselt. Seit 3 Tagen rasen die Götter.“
(Erich Mühsam, 1914)
Selten hat es einen schöneren Sommer gegeben, „seidenblau der Himmel, weich und doch nicht schwül die Luft“, so Stefan Zweig in seinen Erinnerungen. Doch mitten hinein krachen zwei Schüsse: Am Vormittag des 28. Juni 1914 fallen der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gattin in Sarajewo dem Attentat eines serbischen Nationalisten zum Opfer. Dem Schock folgt ein bedrohliches Säbelrasseln. Am Morgen des 28. Juli 1914 unterzeichnet der österreichische Kaiser Franz Joseph am Schreibtisch seiner Villa in Bad Ischl die Kriegserklärung an Serbien. Die Welt stürzt ins Chaos.

Neue Waffensysteme und der kompromisslose Siegeswille der Militärstrategen entfalten eine Vernichtungskraft ungeahnten Ausmaßes: Die Schlacht an der Somme mit über einer Million getöteter, verwundeter oder vermisster Soldaten ist die wohl verlustreichste Auseinandersetzung der Geschichte. In Lüttich beginnt der moderne Luftkrieg mit einem Zeppelin, der Bomben abwirft. Vor der Südküste Irlands kommen 1.200 Menschen um, als ein U-Boot den Passagierdampfer „Lusitania“ torpediert. Mit seinen 3.905 Metern ist der Gipfel des Ortler in Südtirol der höchstgelegene Schauplatz dieses Krieges.
„Auch hier beherrscht der Kriegsgott Mars die Stunde. Alles Interesse an den häuslichen Angelegenheiten schwindet.“
(Ingolstädter Tagblatt, 1914)
Mahn- und Gedenkstätte, Luitpoldpark an der Parkstraße

Ingolstadt gilt aufgrund seiner Lage am Fluss von jeher als „Brückenkopf Bayerns“. Schon im 16. Jahrhundert zu einem Bollwerk ausgebaut, spielt die Stadt an der Donau auch während des Ersten Weltkriegs eine bedeutsame Rolle: Als „Hauptlandesfestung“ ist die frühere Herzogsresidenz nach München die größte Garnisonsstadt Bayerns. Zwischen 1914 und 1918 platzt die Stadt aus allen Nähten: Von hier aus werden Zehntausende bayerischer Soldaten an die Kriegsschauplätze „verlegt“. Die Zeitungen berichten darüber nur eingeschränkt: Ab 1. August 1914 herrscht auch in Ingolstadt Pressezensur.

Symbolisch steht Ingolstadt mit zwei bedeutenden „Kriegsherren“ jener Tage in Verbindung: Kaiser Franz Joseph von Österreich (1830-1916) ist nominell „Inhaber“ des 13. Königlich bayerischen Infanterie-Regiments. Es ist größtenteils in Ingolstadt stationiert und zieht am 2. August 1914 mit 51 Offizieren, 1.802 einfachen Soldaten und 190 Pferden ins Feld. Ein Portrait des Kaisers hängt noch heute im damaligen Offizierscasino, dem heutigen Kolpinghaus in der Johannesstraße. König Ludwig III. von Bayern (1845-1921) ist „Inhaber“ des ebenfalls in Ingolstadt stationierten 10. Königlich bayerischen Infanterie-Regiments.
„Mir war's doch anders, als wir unsere Nasen über den englischen Schützengraben streckten. Es waren bloß noch Tote drin.“
(Feldpostbrief, 1914)
Schützengraben, OG: Raum 14

Anfang August 1914 schießen Hoffnungen ins Kraut, der soeben begonnene Krieg könnte ein rasches Ende finden. „Ihr werdet wieder zu Hause sein, ehe noch das Laub von den Bäumen fällt“, versichert der deutsche Kaiser Wilhelm II. den ausziehenden Truppen. Stattdessen wird der Waffengang durch verletzten Nationalstolz, rivalisierende Machtansprüche und ein bislang nicht gekanntes industrielles Potenzial zu einem Schrecken ohne Ende: Die „monströse Katastrophe“ mit ihren „barbarischen psychischen und materiellen Verwüstungen“ (Hans-Ulrich Wehler) zieht sich vier Jahre lang.

Als Sinnbild für den ins Stocken geratenen Krieg gilt der Schützengraben: Um den „Feind“ am Vormarsch zu hindern, gräbt man sich ein und schießt den „Angreifer“ aus der vermeintlich sicheren Deckung ab. Außerhalb der Schützengräben kommt der heroische Kampf von Mann gegen Mann jedoch aus der Mode. Das Töten übernehmen zunehmend „anonyme“ Waffensysteme wie Maschinengewehre oder Granat- und Minenwerfer mit großer Reichweite, später sogar Flugzeuge. Zwischen 1914 und 1918 harren Millionen von Soldaten in den verschlammten Grabensystemen aus, um unter ungeheuren Verlusten winzige Geländegewinne zu erzielen.